Bauprojekte geraten leicht vom angepeilten Kurs ab; selbst bei professionell gemanagten Vorhaben sind Kosten- oder Terminüberschreitungen nicht selten. Audits vermitteln eine Übersicht über den Projektstand, zeigen Chancen, Risiken und Optimierungen auf.

Immer wieder geraten Bauprojekte in die Schlagzeilen, wenn die Kosten explodieren, wenn Termine nicht eingehalten werden können oder wenn für ein Bedürfnis gebaut wird, das in dieser Form nicht mehr existiert. Auch Projekte, die professionell geführt werden, sind nicht gefeit gegen solche Entwicklungen. Oft liegt die Schwäche darin, dass zwar auf das Ziel zugesteuert wird, die Gültigkeit dieses Zieles aber nicht in Frage gestellt wird. Im Zeitalter des immer rascheren Wandels gewinnen jedoch «moving targets» immer mehr an Bedeutung. Die Bauherrschaft kommt also nicht daran vorbei, sich ein unabhängiges Bild über den Projektstand zu machen.

Doppelter Nutzen

Wie aber kann festgestellt werden, ob ein laufendes Projekt auf Kurs ist und ob das Ziel noch Gültigkeit hat, wenn die Bauherrschaft nicht über die entsprechende interne Projektmanagement-Kompetenz oder über ein unabhängiges Projektcontrolling verfügt? Hier besteht die Möglichkeit, ein Projekt-Audit durchzuführen, welches eine rasche und profunde Beurteilung der Situation erlaubt und entsprechende Massnahmen zur Korrektur vorschlägt. Ein Audit ist eine unabhängige und systematische Untersuchung. Bezogen auf Projekte sind zwei wichtige Aspekte zu unterscheiden: einerseits die Qualität des Projektmanagements und dessen Eignung zur Umsetzung der Projektziele, anderseits die inhaltliche Qualität, d. h. der Grad, zu dem die Ziele erfüllt werden. Ein umfassendes Projekt-Audit beleuchtet beide Ebenen und – sehr wichtig – deren Zusammenspiel. Der Nutzen eines Projekt-Audits lässt sich unschwer erkennen: Für den Auftraggeber entsteht ein Gewinn an Sicherheit bezüglich des aktuellen Standes eines Projektes, der Optimierungsmöglichkeiten und Risiken im Sinne einer «secondopinion». Die Projektbeteiligten ihrerseits erhalten die Chance, ihr Projekt Aussenstehenden erläutern zu können, ohne auf innere (hierarchische) Zwänge achten zu müssen. Allein schon durch den Umstand, einem Aussenstehenden ein Projekt erklären zu müssen, können allfällige Widersprüche und Unstimmigkeiten entdeckt werden. Für die Bauherrschaft ist mit dem Einsetzen eines Audit-Teams die Arbeit aber nicht getan. Damit sich der Erfolg einstellt, ist eine präzise Formulierung des Auftrags, die Sicherstellung der Unabhängigkeit und der Einbezug der Projektbeteiligten entscheidend. Werden diese nicht ins Boot geholt, riskiert das Projekt-Audit an der mangelnden Akzeptanz zu scheitern. Das Audit-Team seinerseits braucht eine hohe Sensibilität und Erfahrung in der Beurteilung von komplexen Fragestellungen. Es muss in der Lage sein, in kürzester Zeit eine fundierte Lagebeurteilung durchzuführen und Empfehlungen abzugeben. Dabei darf es nie Partei einzelner Interessen werden, sondern muss auf Grund der Faktenlage eine Beurteilung abgeben. Für diese anspruchsvolle Aufgabe sind interdisziplinäre Teams besonders gut geeignet.

Je früher, desto besser

Wann soll ein Projekt-Audit durchgeführt werden? Grundsätzlich kann in jeder Bauphase ein Projekt-Audit durchgeführt werden. Besonders geeignet ist ein Phasenabschluss, können so doch wertvolle Erkenntnisse im Sinne von «lessons learned» gewonnen werden. Der Anlass, ein Projekt-Audit durchzuführen, ist oft die Schieflage, der drohende Abbruch oder der nicht zufriedenstellende Abschluss eines Projektes und somit meist ein zu später Zeitpunkt, um wesentlichen Einfluss auf den weiteren Projektverlauf nehmen zu können. Hält man sich vor Augen, dass der Handlungsspielraum und die Einflussmöglichkeiten mit dem Fortschreiten des Projektes laufend kleiner werden, zeigt sich, dass in den frühen Phasen mit einem Projekt-Audit besonders effiziente Resultate entstehen können. Audits haben sich besonders bei Projektstart, bei Erreichung von Meilensteinen und in Krisen bewährt. Bei komplexen, lange andauernden oder risikobehafteten Projekten lohnt sich ein periodisch durchgeführtes Audit. Beim Kauf grosser Investitionsvorhaben wird das Projekt-Audit durch eine zusätzliche, sehr wichtige Komponente ergänzt: die Überprüfung der vertraglichen Grundlagen und Verpflichtungen. In diesem Fall spricht man insgesamt von einer Due Diligence, wie sie auch bei Unternehmensakquisitionen durchgeführt wird. Die verlangte Offenlegung aller bekannten Risiken und Verpflichtungen stützt sich wesentlich auf die Resultate des Projekt-Audits und wird vertraglich festgehalten.

Bei Unternehmen mit ganzen Projektportfolios stellt sich die Frage, welche Vorhaben auditiert werden sollen. Ob einzelne Projekte auf Grund einer Risikoanalyse oder ganze Portfolios mit einbezogen werden, ist eine wichtige Managemententscheidung, die ein hohes Mass an Erfahrung und Übersicht verlangt und der spezifischen Lage des Unternehmens Rechnung tragen muss. Dabei ist es hilfreich, im Sinne einer Triage die Projekte z. B. in einer Matrix auf Grund ihrer strategischen Bedeutung und der Risikosituation zu positionieren und auf diese Weise den Entscheid zu untermauern.

Mehrstufiges Vorgehen

Der Ablauf eines Projekt-Audits gliedert sich wie folgt: Der erste Schritt, nachdem die Zielsetzung mit dem Auftraggeber vereinbart wurde, ist das Studium der Unterlagen und die Einführung in das Projekt durch dessen Leiter. Als Nächstes werden die Interviewpartner identifiziert und zur Vorbereitung die Fragen in einem Fragenkatalog methodisch geordnet. Die Entscheidung, wer interviewt wird, liegt beim Audit-Team, nach Rücksprache mit dem Auftraggeber. Damit ein repräsentatives Bild entsteht, müssen die Interviewpartner quer durch die Organisation ausgewählt werden. Nach Durchführung der Gespräche werden die Resultate konsolidiert und in einem Bericht zusammengefasst. Darin werden die erkannten Risikobereiche und Schwachstellen dargelegt und Massnahmen vorgeschlagen, die zur Behebung einzelner Schwachstellen dienen. Bei widersprüchlichen oder schwierig zu kommunizierenden Resultaten ist es ratsam, die Betroffenen zu Wort kommen zu lassen, etwa anlässlich eines Workshops. Hier geht es vor allem darum, allfällige Fehlinterpretationen zu verhindern. Das Audit-Team darf aber keinesfalls zum Instrument der Projektbeteiligten werden. Obwohl bei Projekt-Audits Schwierigkeiten wie der Informationsvorsprung des Projektteams oder die mangelnde Akzeptanz auftauchen können, zeigt die Erfahrung, dass in den meisten Fällen eine grosse Bereitschaft besteht, konstruktiv an den Zielen des Audits mitzuarbeiten. Die Beteiligten erkennen, dass hier eine grosse Chance liegt, die Basis für den weiteren Projekterfolg zu legen. Projekt-Audits bewähren sich als ein ausgezeichnetes Mittel, um als Bauherrschaft eine unabhängige, fundierte Meinung über den Projektstand zu erhalten, Chancen und Risiken zu erkennen und Massnahmenvorschläge zu evaluieren.

Erfolgsfaktoren für ein Projektaudit

Unabhängigkeit

An vorderster Stelle steht die Unabhängigkeit des Audit-Teams. In grossen Unternehmen kann dies auch intern sichergestellt werden. Meist bedeutet das aber, dass ein externes Team beauftragt werden muss, das völlig frei von Interessen ist und keine Verbindungen zu Projektbeteiligten hat. Das Audit-Team muss eine absolut neutrale Position einnehmen, um für alle Seiten akzeptierbare Resultate zu erarbeiten.

Respekt

Ein weiterer sehr wichtiger Faktor ist der Respekt, der den Beteiligten entgegengebracht werden muss. Das Audit-Team darf sich nicht als Polizist oder Richter aufspielen und muss die Arbeit der Projektbeteiligten ernst nehmen. Erst durch den Aufbau von Vertrauen können auch verborgene oder tabuisierte Bereiche erkannt werden. Ein wichtiges Instrument ist hier die Anonymität, die den Befragten zugesichert wird.

Teamzusammensetzung

Die Zusammensetzung des Audit-Teams ist ein sehr wichtiger Erfolgsfaktor. Abgestimmt auf die Audit-Ziele und die Charakteristik des Projektes haben sich interdisziplinäre Teams am besten bewährt. Nur sie sind in der Lage, innert kurzer Frist in genügender Tiefe ein Projekt zu auditieren.

Kommunikation

Eine von Beginn an offene Kommunikation ist eine Grundvoraussetzung, damit alle Beteiligten die Resultate des Audits akzeptieren können. Hier spielt der Auftraggeber eine wichtige Rolle, welche die Bedeutung und Ernsthaftigkeit des Projekt-Audits unterstreichen soll und die Beteiligten auffordert, mit Blick auf den Erfolg offen auf die Fragen der Auditoren zu antworten.

Zeitpunkt

Die frühen Projektphasen und vor allem die Phasenwechsel sind gute Gelegenheiten für ein Projekt-Audit. Sehr zu empfehlen ist, Audits von Beginn weg in den Ablauf einzuplanen. Damit ergeben sich weniger Unsicherheiten im Team, und es entsteht nicht der Eindruck, auf Grund ungenügender Leistung im Scheinwerferlicht zu stehen.