Christoph Becker (CB) und Dag Vierfuss (DV) im Gespräch über den Erwerb von «Bestellerkompetenz» im Bauwesen. Das Interview ist im offiziellen Magazin für Mitglieder des Vereins Zürcher Kunstgesellschaft erschienen.

Herr Becker, der Rohbau der Kunsthaus-Erweiterung steht. Bald arbeiten über 30 Gewerke gleichzeitig am Innenausbau. Haben Sie deshalb einen externen Projektmanager an Bord, der das Kunsthaus als Nutzer und Betreiber gegenüber planenden und ausführenden Instanzen in der gemeinsamen Bauherrschaft mit der Stadt Zürich vertritt?

(CB)  Dag Vierfuss ist nicht erst gestern zu uns gestossen. Schon ab der Planungs- und weiter für die Realisierungsphase wollten wir jemanden beiziehen, der spezifische fachliche Kompetenz über den ganzen Prozess vorweisen kann.

Was erledigt denn der Vertreter konkret?

(DV)  Zunächst wurde eine Bedürfnisanalyse durchgeführt. Dann haben wir die Anforderungen konkret formuliert. Im Bauwesen nennt man das «Bestellerkompetenz». Bis zur Übergabe des Gebäudes an den Nutzer/Betreiber schaue ich, dass Bedürfnisse, die formuliert wurden, auch so umgesetzt werden, wie in der Planung eingegeben und verabschiedet. Es reicht eben nicht, den Ball aufs Spielfeld zu legen. Er muss bis ins Tor gespielt werden.

Und zwischen An- und Abpfiff?

(DV)  Zuerst haben wir ein detailliertes Projektpflichtenheft geschrieben. Für jeden Raum, jede Funktion stellten wir die Frage: Wozu dient er? Was ist ihr Zweck? Wie muss der Raum oder die Tür funktionieren, um die dort stattfindenden betrieblichen Abläufe optimal zu gewährleisten? Das schafft eine enorme Planungssicherheit. Im Projektverlauf – bis zur jeweiligen Ausschreibung und Werkplanung – wurden diese Anforderungen weiter detailliert. Ferner unterstütze ich den betrieblichen Aufbau, damit das Gebäude vom ersten Tag an professionell betrieben werden kann.

Und was kostet das Kunsthaus so eine Vertretung?

(CB)  Eine Nutzer- und Betreibervertretung ist nicht ganz billig. Man zahlt eben nicht nur die jeweilige Person, sondern auch das Backoffice, das zur Verfügung steht, um bestimmte Aufgaben zu übernehmen.

Bewegt sich das Honorar in einer ähnlichen Grössenordnung wie bei Architekten, wo es auf fünf bis zehn Prozent der Gesamtkosten taxiert wird?

(DV)  Es liegt deutlich unter demjenigen von Architekten. Bei grossen Projekten fällt ein Honorar in der Höhe von ungefähr einem Prozent der Erstellungskosten an, abhängig von der konkreten Dienstleistung, die benötigt wird.

Wie lange werden Sie diese Dienstleistung beanspruchen, Herr Becker?

(CB)  Das geht auf jeden Fall bis zur Übergabe des Gebäudes. Über die Phase der Abnahme hinaus, die sich hinziehen kann, wenn z. B. nachgebessert werden muss, wird man dann eventuell eine neue Vereinbarung mit dem externen Projektmanager treffen. Und dann ist mal Schluss.

(DV)  Es geht auch darum, den zukünftigen Betrieb und die Bewirtschaftung der Immobilie vorzubereiten. Beim Kunsthaus handelt es sich ja nahezu um eine Verdoppelung der Flächen. In dieser «Ramp-Up-Phase» bin ich noch dabei.

Und welche Erfahrungen konnten Sie in unser Projekt einbringen?

(DV)  Die spezifische Methodik zum Beispiel: Im Bauwesen ist es für den Nutzer / Betreiber wichtig, der Planung einen Schritt voraus zu sein, damit man am Ende genau das bekommt, was man braucht. Man muss wissen, was als Nächstes auf einen zukommt. Daher ist das Know-how über die Abläufe im Bauwesen genauso wichtig wie die Kenntnis über betriebliche Abläufe. Unsere Beratungsleistung bedient alle Ebenen des Projektmanagements. Im Fokus steht dabei immer die kompromisslose Umsetzung der Anforderungen unserer Auftraggeber. Das geht vom ganz Grossen bis ins ganz Kleine.

Können Sie ein Beispiel nennen?

(DV)  Anfangs war ich mit einem Businessplan konfrontiert. Daraus mussten bauliche und technische Erfordernisse abgeleitet werden – wie spezifische Anforderungen an den zukünftigen Festsaal.

Herr Becker, vor welchen Risiken hat Herr Vierfuss das Kunsthaus bisher bewahrt?

(CB)  Die Planung für das Kunsthaus war von Anfang an sehr detailliert. Schon vor dem Architekturwettbewerb. David Chipperfield selbst sagt, er habe noch nie erlebt, dass er eine Planung vorfand, die so weit fortgeschritten war, dass er eigentlich nur eine Hülle für eine Idee finden musste. Die technische Komplexität führte aber auch dazu, dass wir sehr viele Details im Auge behalten mussten – über einen sehr langen Zeitraum der Realisierung in vielen Teilstrecken. Und dafür braucht es kluge Köpfe, die diesen Prozess präzise begleiten und sofort die Hand heben, wenn etwas nicht funktioniert.

Man stand nie kurz vor einem Schildbürgerstreich?

(CB)  Es gibt immer mal wieder kleinere Pannen, die aber ganz schnell virulent werden und ausgeräumt werden können. Wir mussten nicht nachbessern, konnten jeweils rechtzeitig korrigierend in den laufenden Prozess eingreifen.

Für die Einfache Gesellschaft Kunsthaus-Erweiterung ist das Amt für Hochbauten der Stadt Zürich als Bauherrenvertretung gegenüber den Architekten, den Planern und den Unternehmern tätig. Können Sie als Vertreter des Kunsthauses, Herr Vierfuss, nicht direkt mit David Chipperfield Architects in Kontakt treten?

(DV)  In der Bauorganisation spricht man vom Dreirollenmodell. Das heisst, es gibt zuoberst die Bauherrschaft, darunter die Bau-, Planungs- und Ausführungseinheit sowie die Nutzer- / Betreiberseite. Was nicht heisst, dass man alles zu dritt bespricht. Es gibt viele bilaterale Gespräche zwischen mir und der Bauherrschaft, wie auch zwischen mir und den Architekten. Aber entscheidend für den Projekterfolg ist, dass man als «Dreigestirn» vertrauensvoll zusammenarbeitet.

Übernimmt Brandenberger+Ruosch eine Haftung für Ihre Tätigkeit im Rahmen des Mandats?

(DV)  Wir haften für die Professionalität unserer Arbeit. Unsere Leistung basiert auf einem Beratervertrag. Eine Haftung im rechtlichen Sinne eines Werkvertrags besteht nicht.

Welche Herausforderungen gibt es jetzt noch bis zur Eröffnung Ende 2020?

(DV)  Die äussere Hülle ist jetzt gebaut. Doch ist sie noch ohne technischen Inhalt. Dieser Inhalt ist komplex – sowohl was die Einrichtung des Gebäudes angeht als auch die technische Ausstattung mit Licht, Klima, den Einrichtungen, die es braucht, um die Kunst zu schützen, aber auch um den Besuchern den Aufenthalt so angenehm wie möglich zu gestalten. Es ist eine Vielzahl von Funktionen, die jetzt in dieses Gebäude eingebracht wird. Mehrere hundert Handwerker werden in den nächsten Monaten darin weiterarbeiten. Da gibt es viel zu koordinieren und manche Detailfrage kommt auf den Projektmanager zu. Aber wir sind auf gutem Weg. Denn wir erleben, dass die Menschen, die den Bau bis jetzt errichtet haben, mit grosser Motivation und Freude am Kunsthaus mitarbeiten. Sie selber und auch das Amt für Hochbauten achten auf eine sorgfältige Ausführung.

Dag Vierfuss (links im Bild) und Christoph Becker im Gespräch