Die Rechnungslegung der öffentlichen Hand wird sich mit der Einführung von HRM2 den Standards der Privatwirtschaft angleichen. In diesem Zug ist es mehr als angezeigt, eine professionelle Immobilienstrategie zu erarbeiten und künftig zu pflegen.

Bund, Kantone und Gemeinden sind Eigentümer eines meist heterogenen und zweigeteilten Immobilienbestandes. Die Aufteilung in Verwaltungs- und Finanzvermögen ist strategisch betrachtet relevant. Während das Verwaltungsvermögen möglichst viel operativen Nutzen für die Gemeinde stiften soll, muss das Finanzvermögen gewinnbringend betrieben werden können. Mit der Einführung der neuen Rechnungslegung nach HRM2 (oder allenfalls in Anlehnung an IPSAS) wird die buchhalterische Behandlung der Vermögensarten bei der öffentlichen Hand verschärft. Die Einführung einer Anlagebuchhaltung stellt die grösste Neuerung dar. Der Spielraum bei den Abschreibungen, den Lebensdauerannahmen und der Bestimmung der Investitionskategorien wird geringer. Professionelles Agieren wird nun zwingend, und ohne fundierte Strategie fehlt die Basis für eine objektive Betrachtung.

Änderungen an der heutigen Praxis

HRM2 mündet unter anderem in der Einführung eines Anlagebuches. Damit erhält die Immobilienstrategie (Hochbauten und Infrastrukturbauten) eine weitgehend neue Ausprägung. Sie wird es den Entscheidungsträgern künftig erlauben, auf fundierten Stammdaten basierende Entscheide zu fällen. Unterhalt, Verkauf oder Rückbau können systematisch verglichen und nach wirtschaftlichen Kriterien professionell entschieden werden. Die mehrjährige Investitionsplanung wird damit transparent und nachvollziehbar. Sie wird somit immer wichtiger und umfasst meist den nächsten Erneuerungszyklus der abgebildeten Objekte. Damit können «Kostenwellen» frühzeitig geglättet oder die nötigen Finanzen bereit gestellt werden. Vielfach werden mit dem Aufbau der Immobilienstrategie auch die Rollen und Verantwortlichkeiten zwischen Eigentümer, Betreiber und Nutzer/Mieter neu geregelt und damit andere Werteflüsse generiert. Die Immobilienstrategie ist zwar von HRM2 nicht explizit gefordert, in der Praxis ist jedoch die Umsetzung der neuen Vorgaben ohne Strategie im Immobilienbereich wenig überzeugend. Somit ist es angezeigt, die resultierenden Synergien optimal zu nutzen.

Welche Stammdaten müssen erhoben werden?

Um eine aussagekräftige Immobilienstrategie erarbeiten zu können, sind minimale aktuelle Stammdaten der Objekte pro Anlagekategorie bereitzustellen respektive zu erheben. Die detaillierten Angaben sind den Tabellen «Stammdaten für Hochbauten» und «Stammdaten für Infrastrukturanlagen» zu entnehmen. Der Zustand des Objektes, der allfällige Schutzumfang des Denkmalschutzes und die Nutzungsart sind ebenfalls Kriterien, die eine Grundaussage zum Portfolio liefern.

Stammdaten für Hochbauten:

  • Eidgenössischer Gebäudeidentifikator (EGID-Nr.), Basis für die Registerharmonisierung mit dem Einwohnerregister
  • Adresse mit Haupteingangsnummer
  • Parzellenfläche und Parzellennummer (mit Angabe der Bauzone)
  • Geschossfläche des Gebäudes (GF)
  • Hauptnutzflächen (HNF)
  • Vermietbare Fläche (SIA d0165)
  • Volumen des Gebäudes (nach SIA416)
  • Anschaffungs- oder Erstellungswert
  • Aktueller Buchwert
  • Gebäudeversicherungswert aktuell und/oder aktuelle Verkehrswertschätzungen
  • Alle Einnahmen und Ausgaben (der letzten drei Jahre pro Objekt)
  • Baujahr
  • Erneuerungsvorhaben der letzten Jahre (welche, Kosten, Gebäudehistorie)

Stammdaten für Infrastrukturanlagen:

  • Objektbezeichnung und/oder Objektnummer
  • Erstellungsjahr
  • Parzellenfläche und Parzellennummer
  • Objekttyp (zum Beispiel Kanalbauten, Brücken, Strassen usw.)
  • Bauabrechnung
  • Allfällige Subventionen
  • Erneuerungsvorhaben der letzten Jahre (welche, Kosten, Objekthistorie)
  • Aktueller Buchwert
  • GIS-Koordinaten
  • Technische Spezifikationen

Die Arbeit steckt im Detail

Die Verkehrswertschätzung sowie die korrespondierenden Instandsetzungsund Unterhaltskosten basieren in der Regel auf der vorhandenen Bausubstanz. Vielfach werden jedoch Bestandesbauten aus der Nutzungsart und Nutzungsintensität heraus früher einer Erneuerung zugeführt, als es die Bausubstanz verlangen würde. Als aktuelles Beispiel seien Schulhäuser genannt, deren Klassenzimmer für die neuen pädagogischen Unterrichtsformen (wie Teamteaching usw.) zu klein sind. Hier ist also die neue Nutzung und nicht die vorhandene Bausubstanz treibende Kraft für eine Erneuerung. Während der Erarbeitung der Immobilienstrategie stellen sich auch fundamentale Fragen in Zusammenhang mit der Perspektive hinsichtlich Nutzern und Mietern: Ist beispielsweise absehbar, dass eine Nutzerorganisation in den nächsten Jahren mehr Fläche braucht oder deren Standort im aktuellen Gebäude betrieblich falsch liegt, müssen diese Entwicklungsfragen frühzeitig erkannt und wenn möglich geklärt werden. Solche oder ähnliche Veränderungen müssen präzise in die Immobilienstrategie einfliessen. Erst dadurch werden die politischen Entscheidungsträger befähigt, ihre taktischen Entscheide hinsichtlich Nutzung, Mitteleinsatz und Rendite fundiert und nachvollziehbar zu fällen.

Erarbeitung der Immobilienstrategie

Der Aufwand zur Erarbeitung der Immobilienstrategie ist von der Komplexität des Immobilienportfolios abhängig. Das grundsätzliche Vorgehen bleibt sich dabei immer gleich. Die einzelnen Schritte können der folgenden Aufzählung entnommen werden. Die entsprechend aufgebauten Strategien und Mehrjahresinvestitionsplanungen können jährlich – in der Regel mit wenig Aufwand – nachgeführt werden. Die erarbeiteten Daten können beim Aufbau des Anlagebuches verwendet werden.

Vorgehensschritte ganzes Portfolio:

  • Vorhandene Daten und Dokumente auslegen
  • Analyse der fehlenden Unterlagen durchführen
  • Ergänzen der fehlenden Unterlagen einleiten
  • Typologien oder Teilportfolios bilden − Nutzungs- und Zustandserhebungen durchführen
  • Möglichst die Nutzungsänderungen der nächsten 10 bis 15 Jahre erfassen
  • Analyse der Erhebungen mit Massnahmenplanungen ausarbeiten − Priorisierungen der Massnahmenplanung vereinbaren
  • Strategie ausformulieren
  • Werteflüsse oder Kapitalbedürfnisse anhand von Kennzahlen erheben und in einer Mehrjahresplanung (Aufgaben und Finanzplanung) darstellen

Vorgehensschritte Einzelobjekte:

  • Einzelobjektstrategie festlegen − Instandhaltungs- und Instandsetzungsplanung durchführen
  • Umsetzen der Einzelstrategien und IH/IS-Planungen in die Mehrjahresplanungen aufgeteilt nach Investitions- und Laufrechnungen

Auch eine Frage der Kontinuität

Immobilien sind langfristige und teure (wertvolle) Sachwerte, die meistens mehrere Legislaturen ohne grössere Strategieänderung überstehen. Dies oft im Gegensatz zu den Entscheidungsträgern, die altershalber oder aus anderen Gründen nur eine beschränkte Zeit zur Verfügung stehen. Jede Gemeinde wird sich mit der Einführung von HRM2 vermehrt um ihre Immobilien kümmern müssen, um einen nachhaltigen Umgang auf Basis einer fundierten, transparenten und einfach verständlichen Immobilienstrategie sicherzustellen. Damit bleiben die Finanzen auch über mehrere Legislaturperioden hinwegplan- und steuerbar, und es kommt zu keinen unliebsamen Überraschungen bei Amtsübergaben.

Ohne externe Unterstützung geht es kaum

Der Aufbau einer Immobilienstrategie ist sehr anspruchsvoll. Dies insbesondere dann, wenn nicht nur eine buchstabengetreue Alibiübung vollzogen, sondern die Chance zur strategischen sowie operativen Nutzung eines zukunftsgerichteten Werkzeugs gepackt werden soll. Letzteres sollte das Ziel jeder fortschrittlich eingestellten Behörde sein. Diesen Weg kann grundsätzlich jede Gemeinde für sich alleine gehen. Es ist aber immerhin zu überdenken, ob es nicht zweckmässig wäre, von anderen Erfahrungen zu profitieren, um dadurch die Qualität und die Effizienz des eigenen Projektes zu steigern. In vielen Fällen wird es angezeigt sein, für diesen Know-howTransfer auf professionelle, externe Unterstützung zu setzen. HRM2 ist in der Aufbauphase zweifellos mit Mehraufwand verbunden. Im finanziell sehr relevanten Immobilienbereich können damit jedoch die Wirtschaftlichkeit optimiert und finanzielle Risiken minimiert werden. Der nachhaltige Einsatz der Steuergelder ohne ein Anhäufen von versteckten Schulden in Form von vernachlässigtem Unterhalt usw. bei Immobilien im Hochbau- und Infrastrukturbereich wird erst dadurch gewährleistet.