Die Praxis zeigt, dass viele Fragen zu betrieblichen Abläufen und der künftigen Bewirtschaftung in der Erstellungsphase unbeantwortet bleiben. Deshalb ist es wichtig, kurz nach dem Projektstart ein Nutzungs- und Betriebsführungskonzept aufzustellen.

Fragen am Anfang beantworten

Die Nutzungskosten einer Liegenschaft machen während ihrer gesamten Lebensdauer in der Regel vier Fünftel der Investitionskosten aus. Um eine Liegenschaft langfristig kosteneffizient betreiben zu können, ist es daher notwendig, dass bereits in der Planungs- und Erstellungsphase die Abstimmung mit dem Betrieb und der Bewirtschaftung erfolgt.

Die Praxis zeigt, dass viele Fragen betreffend betrieblicher Abläufe und der künftigen Bewirtschaftung in der Erstellungsphase unbeantwortet bleiben. Die Folgen sind dann oft mit teuren Nachinvestitionen oder mit der Akzeptanz der Versäumnisse verbunden.

Für eine erfolgreiche Abwicklung von komplexen Bauprojekten ist es deshalb entscheidend, die Bauherrschaft und die Projektbeteiligten über den Sinn und Zweck eines Nutzungs- bzw. Betriebsführungskonzepts aufzuklären und zu sensibilisieren. Zu Beginn eines Projektes stehen die Bedürfnisanalyse und -formulierung (Zieldefinition) im Vordergrund. Für wen wird gebaut? Was für Prozesse muss die zukünftige Immobilie ermöglichen resp. optimal unterstützen? Welche Anforderungen gilt es zu berücksichtigen? Hierbei ist zwischen dem Nutzer und dem Betreiber einer Immobilie zu unterscheiden, da der Nutzer für die Erstellung des Nutzungskonzepts und der Betreiber für die Erstellung des Betriebsführungskonzepts verantwortlich ist.

Nutzungskonzept

Das Nutzungskonzept beschreibt die betrieblichen Abläufe und Leistungen im Kerngeschäft einer Organisation bzw. Unternehmung. Es regelt die betriebs- und nutzungsspezifischen Prozesse und die tägliche Zusammenarbeit sämtlicher Nutzer. So ist zum Beispiel für die Eröffnung und den Betrieb einer stationären Pflegeeinrichtung die Erstellung eines Nutzungskonzeptes unter anderem eine Grundvoraussetzung um die Betriebsbewilligung zu erhalten.

Ursprünglich kommt das Nutzungskonzept aus der Betriebswirtschaftslehre und beschreibt den erfolgreichen Auf- und Ausbau von Unternehmungen. Es dient als Entscheidungsgrundlage für Projekte, grössere Investitionen, für die Kreditbeschaffung und für die langfristige Ausrichtung eines Unternehmens. Da der Auf- und Ausbau einer Unternehmung die betrieblichen Abläufe sowie den Raumbedarf beschreibt, ist das Nutzungskonzept für die Erstellung bzw. für den Umbau einer Immobilie von sehr grosser Bedeutung und dient als Grundlage für eine detaillierte Auftragsformulierung wie Raumprogramm und Projektpflichtenheft.

Das Nutzungskonzept sollte schon zu Beginn eines Projektes bekannt sein. Spätestens aber in der Phase Bedürfnisformulierung / Projektdefinition (SIA 11/SIA 21) erstellt sein. Im Gegensatz zum Betriebsführungskonzept sollte sich das Nutzungskonzept im Laufe eines Projektes nicht mehr ändern, da sich Änderungen je nachdem massiv auf das Projekt auswirken können. Nur bei Grossprojekten, wie zum Beispiel bei der Erstellung von Krankenhäusern, welche sich oftmals über viele Jahre erstrecken und bei denen bestimmte Unternehmen bzw. technische Anlagen ständigen Wandlungen unterliegen (Entwicklung der Hygiene- und Medizintechnik usw.), lohnt es sich, das Nutzungskonzept zu aktualisieren.

Betriebführungskonzept

Im Betriebsführungskonzept wird die Leistungserbringung der Bewirtschaftung einer Immobilie geregelt und beschrieben. Konkret werden im Betriebsführungskonzept im Rahmen des technischen, infrastrukturellen und kaufmännischen Gebäudemanagements (Facility-Management) unter der Federführung des Betreibers, die Leistungen, Pflichten und Verantwortlichkeiten der Eigentümer, Betreiber und Nutzer geregelt und festgehalten.

Das Betriebsführungskonzept ist vor allem bei grossen Gebäuden resp. Gebäudekomplexen notwendig, welche ein gut strukturiertes und professionelles Facility-Management benötigen und bei denen der störungsfreie Betrieb einen hohen Stellenwert hat. Dazu gehören zum Beispiel öffentliche Bauten wie Schulen, Universitäten, Altersheime und Spitäler oder private und institutionelle Bauten wie grosse Bürogebäude, Forschungs- und Laborgebäude sowie Hotel- und Industriebauten.

Die erste Fassung des Betriebsführungskonzepts sollte schon in der Projektdefinitionsphase (SIA Phase 21) vorliegen und als Vorgabe für den Planungsprozess dienen. Es geht in dieser Phase nicht darum, ein detailliertes Betriebsführungskonzept ab zu liefern, sondern vielmehr sollen in dieser Phase die Themen und Vorgaben identifiziert und festgelegt werden, welche in der weiteren Bearbeitung genauer untersucht und mit zusätzlichen Inhalten ergänzt werden. Die weiteren Aktualisierungen erfolgen in der Vorprojektphase (SIA Phase 31) und am Schluss in der Inbetriebnahmephase (SIA Phase 53).

Zusammenfassung der wesentlichsten Bestandteile und Inhalte der Konzepte

Für die Regelung und Beschreibung der künftigen Bewirtschaftung einer Immobilie empfiehlt es sich, die Prozesse und Leistungen gemäss dem «Prozess- / Leistungsmodell im Facility-Management (ProLeMo)» oder gemäss Norm SN EN 15221-4 «Taxonomie, Klassifikation und Strukturen im Facility-Management» zu strukturieren.

Fazit

Die Entwicklung einer Liegenschaft erfolgt in einem iterativen Prozess. Die Anforderungs- und Bedürfnisformulierung sind die Grundlage für die erfolgreiche Planung. Die fortgeschrittene Planung gibt neue Erkenntnisse über die mögliche Umsetzung des Bedarfes usw. Die Erfahrung zeigt, dass die Nutzungs- bzw. die Bewirtschaftungsthemen von den Projektentwicklern oftmals viel zu spät aufgenommen werden. Dabei ist es für den Projekterfolg entscheidend, dass diese Themen, wie beschrieben, möglichst frühzeitig bearbeitet und im Projektverlauf konsolidiert werden.

Ein wesentlicher Schlüssel zum Erfolg ist, sowohl Nutzungskonzept als auch das Betriebsführungskonzept vom künftigen Nutzer bzw. dem Betreiber erstellen zu lassen. Sind diese Positionen vor Beginn der Planungsphase nicht bekannt, muss der Bauherr die Rolle des Nutzers/Betreibers übernehmen, bzw. diese Aufgabe an einen Experten weiter delegieren.