Projektorganisation und Stammorganisation
Stammorganisation und Projektorganisation sind zentrale Begriffe im Projektmanagement. Bauprojekte können niemals vollständig unabhängig von der Stammorganisation durchgeführt werden. Insbesondere bei Entscheidungsfindungen und Beschlüssen ist es erforderlich, die strategische sowie die operative Ebene der Stammorganisation einzubeziehen. Die Hauptaufgaben auf der strategischen Ebene der Stammorganisation in einem Projekt umfassen die systematische Planung, Koordination und Überwachung des Projektes, um eine optimale Realisierung gemäss den vorgegebenen Zielgrössen zu gewährleisten. Von der operativen Ebene der Stammorganisation werden die Ressourcen für Nutzung und Betrieb in ein Projekt beigezogen.
Drei Organisationsmodelle
Bezüglich der Eingliederung der Projektorganisation in die Stammorganisation ergeben sich bei Bauprojekten grundsätzlich drei Möglichkeiten. Die Verankerung erfolgt entweder mittels einer Projektkoordination, einer Matrix-Projektorganisation oder einer reinen Projektorganisation. Diese drei Organisationsmodelle unterscheiden sich vor allem in Art und Umfang der Aufgaben und Kompetenzen, welche der Projektleitung Bauherrschaft zugestanden werden.

Projektkoordination
Die Projektleitung Bauherrschaft übernimmt bei der Projektkoordination eine zentrale Rolle. Innerhalb der Stammorganisation agiert sie als «Stabsstelle» ohne Anordnungs- oder Entscheidungsbefugnisse gegenüber den Linienstellen. Im Projekt führt sie die extern beauftragten Planer und Unternehmen. Ihre Hauptaufgaben umfassen die Koordination, Planung sowie Überwachung von Terminen und Kosten. Entscheidungen werden von der Projektleitung vorbereitet und von der vorgesetzten Stelle getroffen. Das Funktionieren der Projektkoordination hängt massgeblich von der personellen Besetzung und der hierarchischen Eingliederung in der Stammorganisation ab. Diese Form der Projektorganisation, die oft bei kleineren internen Projekten zum Einsatz kommt, ist die schwächste. Die Verantwortung für Leistung, Kosten und Termine verbleibt bei der vorgesetzten Stelle bzw. der Geschäftsleitung Bauherrschaft in der Stammorganisation.
Matrix-Projektorganisation
In der Matrix-Projektorganisation überlagert eine projektbezogene Struktur die Stammorganisation für die Dauer des Projekts. Die Projektleitung Bauherrschaft und ihre Organe haben sowohl Koordinations- als auch Anordnungsbefugnisse gegenüber den Projektmitarbeitenden, was zu einer Doppelunterstellung führt.
Die Projektleitung Bauherrschaft legt den Aufgabeninhalt und den Zeitpunkt der Durchführung von Teilaufgaben fest. Sie koordiniert, plant und überwacht alle Projektaufgaben und stellt sicher, dass die Projektziele wirtschaftlich erreicht werden. Sie trägt die Verantwortung für alle Projektparameter und muss die Leistung innerhalb des vorgegebenen Zeit- und Kostenrahmens erbringen.
Die projektbeteiligten Stellen der Stammorganisation entscheiden über das Verfahren, die personelle Arbeitszuordnung, den Ort und die Mittel der Durchführung ihrer Teilaufgaben. Ihre Hauptaufgaben umfassen die Koordination, Planung und Kontrolle sowie die Durchsetzung einer einheitlichen Politik in den Fachdisziplinen. Eine klare Abgrenzung der Kompetenzen zwischen Stamm- und Projektorganisation ist notwendig. Funktionendiagramme regeln die Arbeitsabläufe, um Friktionen zu vermeiden.
Gegenüber der Projektleitung Bauherrschaft muss die personelle (einschliesslich disziplinarische) und fachliche Führung zwischen Stamm- und Projektorganisation klar getrennt werden. Innerhalb der Stammorganisation wird die personelle Führung durch die vorgesetzte Stelle ausgeübt, beispielsweise anlässlich von Jour fixe durch Supervision oder Coaching sowie durch die Befähigung der verfügbaren Ressourcen. Die fachliche Projektführung muss jedoch zwingend über die entsprechenden Organe der Projektorganisation, wie eine Baukommission oder einen Steuerungsausschuss, erfolgen, auch wenn die vorgesetzte Stelle Teil dieser Organe ist und an deren Sitzungen teilnimmt. Eine klare Abgrenzung erfordert ein eindeutiges Rollenverständnis hinsichtlich der Führungsaufgaben.
Die Matrix-Projektorganisation erfordert ein hohes Mass an Kooperationsbereitschaft und Organisationsverständnis. Sie wird häufig in Unternehmen eingesetzt, die viele Projekte gleichzeitig abwickeln und ist das häufigste Projektorganisationsmodell.
Reine Projektorganisation
Bei der reinen Projektorganisation entsteht für die Projektdauer eine eigene Linienorganisation, die weitgehend aus der Stammorganisation herausgelöst wird. Die Projektmitarbeitenden werden zu einer Einheit unter der Führung der Projektleitung Bauherrschaft zusammengefasst. Die Projektleitung ist verantwortlich für die Erreichung der Projektziele (Leistung, Termine, Kosten) und verfügt über alle notwendigen Ressourcen. Sie beschafft die Mitarbeitenden und Einsatzmittel selbst und trägt die volle Verantwortung. Diese Organisationsform wird häufig bei grossen und lang andauernden Projekten genutzt und hat sich dort bewährt.
Herausforderungen
Alle drei Organisationsformen haben ihre spezifischen Herausforderungen, welche eingangs bereits erwähnt wurden. Basierend auf unserer Erfahrung können wir zusätzlich nachfolgende Themen isolieren, welche bei der Abgrenzung der Projektorganisation von der Stammorganisation besonders berücksichtigt werden sollten.
Ressourcen
Abhängig von der Projektstruktur, der Projektorganisation, dem Terminplan und der Aufwandschätzung gilt es festzulegen, welche und wie viele Ressourcen wann und wie lange benötigt werden. Insbesondere bei der Projektkoordination und der Matrix-Projektorganisation können die benötigten Ressourcen jedoch parallel von anderen Projekten oder durch das Tagesgeschäft in der Stammorganisation beansprucht werden. Die Projektleitung Bauherrschaft muss sich daher regelmässig mit der vorgesetzten Stelle in der Stammorganisation über das Thema Ressourcen austauschen und abstimmen. Es ist die Aufgabe der vorgesetzten Stelle, die Anliegen aus dem Projekt in die Stammorganisation zu übertragen und bei der Sicherstellung der erforderlichen Ressourcen zu unterstützen. Sollte die Stammorganisation die erforderlichen Ressourcen nicht bereitstellen können, muss die Projektleitung Bauherrschaft das Thema Ressourcen gegenüber den Organen der Projektorganisation eskalieren oder die Ressourcen extern beschaffen.
Know-how und Befähigung
Es ist die Aufgabe der Stammorganisation, qualifiziertes Personal zu rekrutieren, zu beschäftigen und weiterzubilden. Daher kann die Projektleitung Bauherrschaft davon ausgehen, dass die bereitgestellten Ressourcen durch die Stammorganisation das Projekt mit dem erforderlichen Wissen unterstützen. Etwaige Wissenslücken können nicht im Rahmen des Projekts, sondern nur durch Massnahmen in der Stammorganisation geschlossen werden. In einem Projekt werden Wissensdefizite in der Regel durch den Einsatz externer Spezialisten behoben. Neben der Bereitstellung der qualifizierten und gut ausgebildeten Ressourcen kommt der Stammorganisation eine weitere wichtige Aufgabe zu. Diese besteht in der Zurverfügungstellung von geeigneten Vorlagen und Hilfsmitteln (insbesondere in den Bereichen Beschaffung, Vertragswesen, Kostenüberwachung, Terminüberwachung, Berichtswesen) für die Projektbearbeitung. Oftmals verfügt die Stammorganisation jedoch nicht über geeignete Hilfsmittel, welche im Projektalltag eingesetzt werden können. Die projektspezifische Erarbeitung der Hilfsmittel und Vorlagen führt zu einer zusätzlichen Belastung im Projektalltag. Wichtig ist, dass die Stammorganisation darum bemüht ist, die in den Projekten entstandenen Hilfsmittel im Falle der Eignung als bereinigte generische Grundlagendokumente aufzunehmen und späteren Projekten damit eine bessere Ausgangslage zu verschaffen. Ähnlich verhält es sich auch mit dem Wissensmanagement und dem strukturierten und nachvollziehbaren Umgang mit Lessons Learned.
Entscheidungsbefugnisse und Kompetenzen
Eine weitere Herausforderung zwischen dem Tagesgeschäft in der Stammorganisation und dem Projektalltag besteht darin, dass die Organe der Projektorganisation häufig nicht über die erforderlichen Kompetenzen verfügen. Daher werden finanzielle oder terminliche Entscheidungen oder die Freigabe von Vergaben oft von der hierarchischen Ebene der Stammorganisation getroffen, ohne dass diese Entscheidungspersonen im Projekt entsprechend verankert sind. Dies führt zu einer starken administrativen Beanspruchung der Stammorganisation und möglicherweise zu Freigaben, welche aufgrund der grossen Distanz zum Projekt auf blindem Vertrauen statt auf konsequentem 4-Augen Prinzip beruhen.
Wie kann der Balanceakt zwischen Stammorganisation und Projektorganisation erfolgreich bewältigt werden?
Projektmanagement-Leitfaden mit üblichen Modellen als Basis
Ein professionelles Bauprojektmanagement umfasst die fachgerechte Abwicklung von Bauprojekten auf der Grundlage klar definierter Strukturen, Prozessen und Vorgaben, um die vereinbarten Projektziele effizient zu erreichen. Der Projektablauf orientiert sich dabei an den branchenüblichen Phasen eines Projekts. Die Kommunikation sowie Steuerung werden durch präzise Anweisungen und ein strukturiertes Berichtswesen erleichtert. Diese Anweisungen sowie die geltenden Rahmenbedingungen für die Projektabwicklung finden sich in einem unternehmensspezifischen Projektmanagement-Leitfaden wieder.
Wichtige Elemente eines Projektmanagement-Leitfadens umfassen spezifische Organisationsstrukturen je nach Art des Projekts, allgemeine Beschreibungen der Hauptfunktionen innerhalb der Projektorganisation sowie die Regelung der Entscheidungskompetenzen zwischen Projekt- und Stammorganisation, insbesondere in Bezug auf Kosten, Terminen und Vergaben. Bei der Erstellung eines Projektmanagement-Leitfadens liegt der Schwerpunkt nicht auf der Übernahme von «Best Practices», sondern auf der Anpassung der relevanten Projektmanagement-Aktivitäten und -Prozesse an die spezifischen Gegebenheiten und Anforderungen der Stammorganisation. Zur erfolgreichen Durchführung von Spezialprojekten empfiehlt es sich, bereits in einer frühen Phase ein Bauherrenberatungsunternehmen wie die Brandenberger+Ruosch AG hinzuzuziehen, um die Projektorganisation aufzubauen und die Rahmenbedingungen für einen geordneten Projektablauf festzulegen.
Oft sind die Organisationen stark im Tagesgeschäft absorbiert, sodass kaum Zeit für strategische Themen bleiben. Ein Bauherrenberatungsunternehmen wie die Brandenberger+Ruosch AG verfügt über umfassende Kompetenz im Bereich Projektmanagement und kann eine Bauherrschaft professionell bei der Erstellung oder Überarbeitung eines Leitfadens unterstützen und entlasten.
Lernende Organisation
Die Wirkung eines Projektmanagement-Leitfadens und die Anwendung der Vorgaben im Projektalltag sind regelmässig durch gezielte Projektaudits zu überprüfen. Durch ein strukturiertes Vorgehen und den Fokus auf das Wesentliche können gezielt Schwachstellen in den Vorgaben sowie in der Zusammenarbeit zwischen der Projekt- und Stammorganisation und innerhalb der Projekte identifiziert werden.
Die aus den Projektaudits gewonnenen Erkenntnisse sind durch gezielte Massnahmen zu verbessern. Diese Massnahmen können Verbesserungen in den Bereichen des Projektmanagement-Leitfadens, der Vorgaben oder deren Anwendung in den Projekten anstreben. Ergänzende themenspezifische Schulungen tragen ebenfalls dazu bei, Friktionen zwischen der Stamm- und Projektorganisation zu vermeiden, das Rollenverständnis zu schärfen und die Organisation für die Projektarbeit optimal vorzubereiten.